Jeder kennt sie, Dornröschen und den bösen Wolf, das tapfere Schneiderlein und die Bremer Stadtmusikanten. Und jeder kennt ihre Geschichte. Oder glaubt es wenigstens. Gregor Eisenhauer räumt auf mit den alten Vorurteilen von Gut und Böse. Seine Geschichten aus dem Märchenparadies lassen die Helden unserer Kindheit endlich selber zu Wort kommen. Und was da zu Tage kommt, ist ebenso faszinierend wie erschreckend. Wer hätte gedacht, dass Schneewittchen Goebbels Geliebte war und dass die Sieben Zwerge Juden enteigneten? Und was den Großen Bösen Wolf angeht: dem liegen die Frauen auch im Alter noch scharenweise zu Füßen. Eisenhauer ist kein Purist. Er wendet sich aktuellen Problemen zu und erzählt seine Märchen aus Deutschland mit einer Prise Heidelberg-Romantik und ohne Respekt vor seinen großen Vorbildern. Und gerade dadurch gelingt es ihm, die vertrauten Gestalten zu neuem Leben zu erwecken. Alle jene, die ihre Märchenbücher längst ins Regal gestellt haben, werden sich von neuem verzaubern lassen.
Gregor Eisenhauer (geb. 1960) ist freier Autor. Er lebt in Berlin.
Damals hatten die sieben Zwerge noch sieben Namen gehabt. Aber die konnte sich nie einer merken, weil sie einfach zu lang gewesen waren. Ihr Analytiker wollte ihnen daraufhin kürzere geben, aber das wäre zu teuer geworden. Also hatten sie beschlossen, Namen zu nehmen, die jeder kennt. Ganz früher hatten sie nämlich nur Helme getragen mit Nummern. Das war die Zeit, als sie noch als kleine militärische Eingreiftruppe unterwegs waren und ziemlich viel Blut vergossen hatten. Aber davon waren ihnen nur die schlechten Manieren geblieben. Ein paar Jahrzehnte blieben sie arbeitslos, standen in Vorgärten herum oder zogen mit Rübezahls Varieteshow umher. Aber die Gagen wurden immer kleiner. Irgendwann wollte sie dann ihr Agent als Minensucher im Nahen Osten verkaufen. Aber kurz vor dem Abflug bot ihnen Drosselbart die Stelle als Gärtner im Märchenparadies an. Und Oma Holle war auf die gute Idee gekommen, ihnen Namensmützen zu häkeln. Namen hatten sie da zwar immer noch keine, aber zumindest mal was auf dem Kopf. Das wurde richtig gefeiert, und mittendrin, als sie alle schon ziemlich einen gebechert hatten, kam Mütze Sonntag der Einfall mit den Wochentagen, weil er den Sonntag am liebsten mochte. Die anderen waren sofort einverstanden, bis auf Nörgler-Willi, der fortan Mütze Montag hieß.
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