»39 Grad im Schatten« spielt im aufstrebenden Fremdenverkehrsmilieu Mallorcas. Es ist die Geschichte der jungen Souvenirverkäuferin Miquela, deren Laden Treffpunkt der Dienstmädchen und Chefs der benachbarten Hotels und Cafés ist. Miquela allerdings kann sich selber aber an diesem Treiben nicht beteiligen. Sie bewundert und beneidet die braun gebrannten, gut gelaunten Kolleginnen und auch die Touristinnen, und wünscht sich, ebenso modern und lebenslustig zu sein. Doch immer wieder schweifen ihre Gedanken in die freudlose Zeit ihrer Kindheit bei Onkel, Tante und Cousine, wo ihr jedes Vergnügen versagt und ihr Leben auf Kirche und Arbeit beschränkt wurde. Auch Miquelas Scheu vor Männern rühren aus dieser Kindheit: Die Cousine fasste schon früh den Entschluss, ins Kloster zu gehen, die verbitterte Tante erzählte ständig Schreckensgeschichten von der unglücklichen Liebe. So ist – trotz einiger Interessenten – der einzige Mann, an dem sie Gefallen findet, Miquelas junger Beichtvater.
Antònia Vicens, geboren 1941 in Santanyí (Mallorca), gilt als eine der vielversprechendsten Autorinnen der Balearischen Inseln. Für ihren Roman »39 Grad im Schatten» (»39° a l'ombra«, 1967) erhielt sie den Premi Sant Jordi. Er wurde 1990 in die Sammlung »Biblioteca Bàsica de Mallorca« aufgenommen. Antònia Vicens wurde 1999 mit dem Creu de Sant Jordi für ihr Gesamtwerk ausgezeichnet Weitere Werke: »Banc de Fusta« (1968), »Quilòmetres de tul per a un petit cadàver« (1981), »Gelat de maduixa« (1984), »Vocabulari privat« (1993), »Febre alta« (1998).
Was für ein Schuft, dieser Andreu!
Einmal erzählte ich ihm unwillkürlich: „Ich weiß nicht, was Lachen ist. Nie bin ich ein Mädchen gewesen, das mal mit dem einen und mal mit dem anderen ausgegangen und viel unterwegs gewesen wäre. Ich kann meine Jugend nicht genießen. Im Haus meiner Tante habe ich nie Fröhlichkeit erlebt, nie! Das ging so weit, dass ich die Traurigkeit brauchte, um mich wohl zu fühlen. Ziemlich absurd. Wenn ich einmal ein bisschen lache oder dummes Zeug denke, bekomme ich ein schlechtes Gewissen. Ich würde gerne über all das hinwegkommen.“
Aber Andreu hing an seinem Vorhang und erstickte fast vor Lachen. Nein, er verstand überhaupt nichts. Und ich beharrte auch noch wie eine blöde Gans:
„Hast du bemerkt, wie die Berge heute aussehen? Als wären sie aus Licht. Meine Cousine sagte immer, dass die Berge sie faszinieren. Meine Cousine heißt Maria und …“
Aber Andreu hörte nicht auf zu lachen und fragte sich, was für Dummchen meine Cousine und ich wohl waren. Ich war einfältig genug, mich über diese Albernheiten auch noch aufzuregen.
Über alles regte ich mich auf, als hätte ich eine Viper im Magen, wenn sich meine reizlose Vergangenheit vor mir aufrollte.
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