»Die deutsche und die fremde Dichtung« führt Klabund in seiner
Literaturgeschichte
nicht nur geschichtlich, sondern auch inhaltlich
zusammen.
Es gelingt ihm, eine Art poetologischer Ideengeschichte zu
formulieren, die ihren weiten Blick auf Literatur, Religion, Philosophie
und Historie aus einem kulturellen Spiegelbild gewinnt. Dabei selbst
poetisch gleiten Klabunds Sätze über die Wesenheiten, Besonderheiten,
Eigenheiten menschlichen Schaffens. In einer heiteren Lebendigkeit stellt
er Zusammenhänge zwischen ägyptischen, indischen und griechischen Mythen
her, verbindet die Formen des europäischen Schrifttums mit Amerika, lenkt
sie durch die Jahrhunderte und formt daraus Geschichte der Literatur, die
sich selbst schon als eine Literatur-Geschichte liest. Im Mittelpunkt steht
der Mensch in der Welt als Erleider, als Suchender, als Weinender aber auch
als Lachender, Findender und Erlöster. Denn Klabunds Werk ist ein Beweis
für die unfassbare Schönheit der Wirklichkeit: »Die Dichtung ist nicht die
Vorstufe zu einem seligen Jenseits, sie ist dieses Jenseits selbst.«
Supplementband zur Klabund-Ausgabe der »Werke in acht Bänden« in bibliophiler
Ausstattung.
Der Text folgt der von Ludwig Goldscheider 1929 herausgegebenen Ausgabe.
Der Anhang bietet neben einem Nachwort des Herausgebers Ralf Georg Bogner
Hinweise zur originalen Textgestalt und den postumen Veränderungen.
Klabund, d. i. Alfred Henschke (1890–1928), veröffentlichte von 1912 an nicht weniger als 76 Bücher, darunter Gedichtbände, Romane, Dramen, eine Vielzahl von Erzählungen, Schauspielbearbeitungen, Nachdichtungen östlicher Lyrik und Schauspiele. Er studierte in München und Berlin und war mit der Schauspielerin Carola Neher verheiratet. Im »Dritten Reich« wurden Klabunds Bücher als Asphaltliteratur verboten. Seitdem blieb eine eigentliche Wiederentdeckung aus. Im Elfenbein Verlag erschien bereits eine achtbändige Werkausgabe sowie der bibliophil gestaltete Band »Dumpfe Trommel und berauschtes Gong. Nachdichtungen chinesischer Kriegslyrik«.
Dichtung kommt aus Gott und mündet in Gott. Sie schafft magisch die große
Vereinigung zwischen Dingen und Geist, zwischen Denken und Sein, zwischen
Welt und Schöpfer. Am farbigen Abglanz erschaut sie das Leben, und Natur
hat für sie weder Kern noch Schale. Man könnte, ein Wort Spinozas variierend,
sagen: Die Dichtung ist nicht die Vorstufe zu einem seligen Jenseits, sie
ist dieses Jenseits selbst. Oder: Das Jenseits ist nur das anders
angeschaute Diesseits. Denn jenseits dieser Welt gibt es nichts. Noch das
Nirwana … ist diesseits. Die Sterne leuchten auch den Toten, diese Blumen
blühen auch für sie. Nur daß die verklärten Geister sie anders sehen. Mit
übermenschlichen oder unmenschlichen Augen. So sehen auch die Dichter diese
Welt mit über- oder unterirdischen Blicken. Gott ist der Geist. Und seine
Geister sind die Dichter. […]
Je weiter die Sprachentwicklung fortschreitet, um so mehr verblasst das
ursprüngliche Bild, der ursprüngliche Klang, der ein Wort formte. Die
abstraktesten Begriffe sind aus konkretester Anschauung entstanden.
Begreifen, d. h. etwas mit den Fingern begreifen, betasten. Eine
Vorstellung haben, d. h. etwas vor sich hinstellen wie einen Teller oder
ein Glas. Weltanschauung, d. h. Anschauung, optische Anschauung dieser
Welt. Der Dichtung eines Volkes liegt das Amt ob, die Sprache frisch und
lebendig zu erhalten, sie nicht in blutleeren Abstraktionen verdorren zu
lassen. Wie ein Baum muß die Sprache aus der Erde hervorwachsen, Blut muß
in ihr rollen wie in den Andern der Menschen. […]
Die Dichtung aller Völker beginnt mit der mündlichen, später schriftlichen
Fixierung religiöser Vorstellungen. Die Schöpfung der Idee »Gott« war die
erste. Im Anfang war das Wort. Und das Wort schuf Gott. Und Gott wurde das
Wort.
In der Urzeit ist der Zusammenhang von Dichtung, Musik und Tanz noch
offenbar. Die Versform ist zweifellos aus Worten zu rhythmischen
Opfertänzen entstanden. Die ältesten Dichtungen, die wir kennen: die
ägyptischen, babylonischen, indischen Dichtungen: sind religiöse Dichtungen
fetischistischer, mythologischer, ahnenkultlicher Art. Ihnen gesellten sich
bald das Liebeslied und das Märchen. Glaube und Aberglaube sind die Eltern
der Dichtung. Der Glaube wird zur Voraussetzung der Gestaltung.
Die Urmenschen kennen keine Sünde. Sie wissen nichts von Gut und Böse. Sie
leben vor dem Sündenfall. Erst durch den Sündenfall kam Gottes-Furcht und
Eros und in ihrem Gefolge die Dichtung in die Welt. Die Erkenntnis der
Polaritäten des Daseins schuf die Dichtung, die sich zu allen Zeiten
zwischen den Polen Gott und Teufel, Tod und Leben, Mann und Frau, Tag und
Nacht, Sommer und Winter bewegt. »Wahrheit läßt sich nur durch Erfassen der
Gegensätze begreifen,« sagt ein alter chinesischer Spruch. Diese Wahrheit
sucht die Dichtung.
»Eine unglaublich schöne Ausgabe … die schnellste Geschichte der Weltliteratur … ein Buch über alles, über alle Bücher, alle Weltliteraturen zu allen Zeiten auf 350 Seiten. Mit anderen Worten: eine große Scharlatanerie. Und zwar: eines der sympathischsten, klügsten, menschenfreundlichsten, weisesten, widersprüchlichsten, literaturenthusiastischsten Bücher über die Literatur, die es gibt …«
(Volker Weidermann, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung)
»Eine subjektivere Literaturgeschichte ist nicht denkbar. Aber gerade das — wie auch seine bonmothaften Charakterisierungen — machen das Lesen zu einem Vergnügen … nach dem Schleudergang durch alle Literaturen ist man nicht nur klüger, sondern auch in heiterer Stimmung.«
(Jörg Aufenanger, Berliner Zeitung)
»Eine Vagabondage durch das Weltschrifttum, versehen mit einer Portion Schabernack.«
(Manfred Koch, Neue Zürcher Zeitung)
»Es gibt in Deutschland nichts Vergleichbares. Klabunds Literaturgeschichte ist einmalig … nicht trocken, objektiv, sondern rückhaltlos persönlich … Ach, täte es einer doch Klabund nach und schriebe so etwas heute!«
(Arno Widmann, Vom Nachttisch geräumt, Berliner Zeitung)
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