Nach den »Amoren für Cassandre« (1552), in denen der französische Renaissancepoet eine florentinische Bankierstochter besingt, und den »Amoren für Marie« (1556), die von der unglücklichen Liebe des Dichters zu einem hübschen fünfzehnjährigen Bauernmädchen handeln, knüpft Ronsard in seinem Spätwerk von 1578 programmatisch an diese beiden Sonettzyklen an: Caterina de’ Medici, die Königin von Frankreich selbst, war es, die den Dichter dazu ermutigte, der Dame Hélène de Surgères durch ein Auftragswerk den Hof zu machen — allerdings blieben auch diese Liebesbekundungen ungehört. Und so feiert Ronsard in den »Sonetten für Hélène« erneut unter dem Einfluss Petrarcas die platonische Liebe zu einer Frauengestalt, deren Züge nicht selten denen der schönen Helena aus Troja gleichen.
Dem zweisprachigen Band werden auch sämtliche verstreuten Amoren beigegeben, so dass nun die gesamte Liebeslyrik Ronsards in der vielgelobten Übersetzung des André-Gide-Preisträgers Georg Holzer zugänglich ist.
Pierre de Ronsard (1524—1585) prägte mit seinen Dichtungen die französische Literatur in so starkem Maße, dass man das 16. Jahrhundert noch heute das »siècle de Ronsard« nennt. Er hatte entscheidenden Anteil an der Entstehung des epochemachenden Manifests der Pléiade: »Deffence et illustration de la langue françoise« (1549). Wie sein portugiesischer Zeitgenosse Luís de Camões schrieb auch Ronsard nach dem Vorbild der »Ilias« und der »Odyssee« ein — allerdings Fragment gebliebenes — Versepos: »La Franciade« (1572). An Pindar und Horaz orientierte er seine Odenbücher (1550—1552), daneben dichtete er die frivolen »Folastries« (1553) sowie religiöse Kampfschriften — berühmt blieb aber vor allem seine Liebesdichtung: Dank der »Amours“ (1552/1560) und den »Sonnets pour Hélène« (1578) gilt er als der »französische Petrarca«. Bis zu seinem Tode diente Ronsard vier Königen, was ihm den Titel »Prince des poètes et poète des princes“ einbrachte.
Ebenso erschien: »Amoren für Cassandre« sowie »Amoren für Marie«
L’autre jour que j’étais sur le haut d’un degré,
Passant, tu m’avisas, et me tournant la vue,
Tu m’éblouis les yeux, tant j’avais l’âme émue
De me voir en sursaut de tes yeux rencontré.
Ton regard dans le cœur, dans le sang m’est entré
Comme un éclat de foudre alors qu’il fend la nue.
J’eus de froid et de chaud la èvre continue,
D’un si poignant regard mortellement outré.
Lors si ta belle main passant ne m’eût fait signe,
Main blanche, qui se vante être lle d’un Cygne,
Je fusse mort, Hélène, aux rayons de tes yeux.
Mais ton signe retint l’âme presque ravie,
Ton œil se contenta d’être victorieux,
Ta main se réjouit de me donner la vie.
Als gestern ich dort auf der Treppe stand,
Bemerktest du mich im Vorübergehen;
So schnell konnt ich mich nicht zur Seite drehen,
Dass nicht dein Auge gleich das meine fand.
Ins Herz und Blut hat sich der Blick gebrannt,
Wie Blitze Wolken spalten, die sich blähen.
Ich spürt’ mich frieren und in Flammen stehen
Vor diesem Blick — doch dann hat deine Hand,
Die weiße, sanft ein Zeichen mir gegeben,
Und ohne das (gab dir ein Schwan das Leben?)
Wär ich, Hélène, vor diesem Strahl verschieden.
Doch deine zarte Geste war mein Glück:
Dein Auge war mit seinem Sieg zufrieden,
So gab die Hand das Leben mir zurück.
(Erstes Buch, Sonett IX)
»Ein Projekt, das beeindrucken muss!«
(Jan Wagner, »Frankfurter Rundschau«, über die »Amoren für Cassandre«)
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